Schwanzkupieren beim Ferkel
Trotz EU-Verbot werden bei 95 Prozent aller Ferkel die Ringelschwänze ohne Betäubung entfernt
Wussten Sie, dass Ferkeln der Ringelschwanz in den ersten Tagen nach ihrer Geburt abgetrennt wird – mit einem heissen Brenneisen? Dieses sogenannte «Schwanzkupieren» wird ohne Betäubung durchgeführt und ist sehr schmerzhaft für die Tiere. In Deutschland werden bei 95 Prozent aller Schweine die Ringelschwänze kupiert – obwohl die EU dies bereits seit 1994 verboten hat. Die EU fordert, dass die Schweinehaltung so gestaltet wird, dass auf das Kupieren der Schwänze verzichtet werden kann. In Deutschland hält man sich nicht an dieses Verbot.
Warum werden Ringelschwänze kupiert?
In der industriellen Schweinehaltung werden die Tiere ihr gesamtes Leben auf engem Raum in dunklen, blanken Betonbuchten gehalten. Kot und Harn fällt durch die Betonspalten und verbleibt unter den Tieren, die den Gestank täglich 24 Stunden einatmen müssen. Bei dieser Haltung fehlt es an allem, was ein Schwein zum Wohlfühlen braucht: Stroh zum weichen Liegen, Heu oder Silage zur Beschäftigung und zum Fressen, Tageslicht, frische Luft und ausreichend Bewegungsfreiheit. Diese Art der Haltung ist nicht tiergerecht, denn Schweine sind sehr erkundungsfreudige Tiere, die unter natürlichen Bedingungen den grössten Teil des Tages in der Erde nach Nahrung wühlen. Ausserdem sind sie sehr reinliche Tiere, die niemals freiwillig dort schlafen würden, wo sie hingekotet haben.
Sind Schweine gestresst, entwickeln sie Verhaltensstörungen, wie beispielsweise das sogenannten «Schwanzbeissen». Die Schweine beissen dabei am Ringelschwanz eines Artgenossen herum, bis dieser blutig wird. Das gebissene Tier kann in der engen Haltung kaum flüchten oder sich zurückziehen. Eine Folge können schlimme Infektionen sein, die bis ins Rückenmark ziehen und sogar tödliche Folgen haben können.
Ringelschwänze müssen dran bleiben
Anstatt den Tieren das zu geben, was sie brauchen, werden sie verstümmelt. Das ist inakzeptabel. Werden Schweine artgemäss gehalten, entwickeln sie in der Regel kein Schwanzbeissen. Somit ist auch kein Schwanzkupieren notwendig. Schwanzbeissen ist also ein guter Indikator dafür, ob dem Schwein etwas fehlt, ob es gestresst ist oder unterbeschäftigt. In artgemässen Tierhaltungen wie zum Beispiel auf «Tierschutz kontrolliert»-Betrieben, aber auch Neuland- oder Biohöfen sind Eingriffe wie das Schwanzkupieren generell verboten. Vorgeschrieben sind hier eingestreute Liegeflächen, Stroh, Silage oder Heu zum Fressen, ein Auslauf im Freien mit frischer Luft und viel Bewegungsfläche.
Deutschland hält sich nicht an das EU-Verbot
Obwohl seit 1994 das routinemässige Schwanzkupieren verboten ist, hält sich Deutschland nicht an dieses Verbot – und wird dafür nicht bestraft. Wie ist das möglich?
Deutschland ist das Schweine-Produktionsland – und mittlerweile auch der Schweine-Exporteur – Nummer eins. Die enorme Wirtschaftskraft sowie das politische Interesse am Erhalt dieser Wirtschaftskraft haben dazu geführt, dass Verbote, die Nutztiere betreffen, nicht geahndet werden. Selbst serienmässige Verstösse über Jahrzehnte hinweg werden geduldet. Die europäische Kommission überlegt zwar, gegen Deutschland Massnahmen zu ergreifen, aber bislang ist Deutschland nicht zur Rechenschaft gezogen worden. Eine Massnahme, die die Europäische Kommission ergreifen könnte, wäre z.B. ein EU-Vertragsverletzungsverfahren. Deutschland müsste dann zumindest eine hohe Geldstrafe zahlen. In jedem Fall müsste die EU viel energischer gegen Mitgliedstaaten wie Deutschland vorgehen. Würden die routinemässigen Verstösse beim Schwanzkupieren zu Kürzungen der Fördermassnahmen führen, wäre der Druck grösser, auf das Kupieren zu verzichten und gleichzeitig die Schweinehaltung nach den Bedürfnissen der Tiere auszurichten.
Beispiel Niedersachsen
Um das Schwanzkupieren zumindest zu reduzieren, wird in Niedersachsen eine Prämie an alle Tierhalter ausgezahlt, die Schweine mit intakten Ringelschwänzen halten (die sogenannte Ringelschwanzprämie). Dies ist zwar eigentlich ein guter Schritt, jedoch werden Betrieben, die weiterhin Schwänze kürzen, keine Sanktionen erteilt. Zudem gilt die Ringelschwanzprämie nur für Niedersachsen und nicht bundesweit.