Kastenstand
Wie die Nutztierindustrie Zuchtsauen behandelt
Sauen in konventionellen Schweinebetrieben verbringen etwa die Hälfte ihres Lebens in Metallkäfigen. Diese Käfige (Kastenstand oder Ferkelschutzkorb genannt) werden von der Industrie damit gerechtfertigt, dass sie verhindern sollen, dass die Sau die Ferkel nach der Geburt erdrückt. Der wahre Grund ist jedoch ein wirtschaftlicher - die Produktion von möglichst vielen Schweinen in möglichst kurzer Zeit auf möglichst kleinem Raum.
Die Sauen können sich in den Kastenständen kaum bewegen und nicht umdrehen. Nestbau und soziale Bindungen mit ihren Ferkeln sind nicht möglich. Die Sauen sind gezwungen, auf hartem Betonboden über ihren eigenen Exkrementen zu liegen. Dadurch können ihre natürlichen Bedürfnisse nicht einmal ansatzweise erfüllt werden.
Das Problem
Eine Sau ist bis zu 22 Wochen im Jahr im Kastenstand eingesperrt - 1 Woche vor und 3 bis 4 Wochen nach der Geburt in Abferkelbuchten, sowie 5 Wochen während und nach der Besamung im sogenannten Deckzentrum. In den Abferkelbuchten ist es der Sau nicht möglich eine Bindung zu ihren Ferkeln aufzubauen. Auch das Verhalten der Ferkel in dieser kargen Umgebung ohne jegliche Einstreu und Beschäftigungsmöglichkeit ist ebenfalls stark eingeschränkt2. Bei zwei Würfen, die eine Zuchtsau pro Jahr bekommt, bedeutet das eine Fixierung der Tiere für beinahe 6 Monate im Jahr.
Auch die Zuchtsauen werden, wie die Mastschweine, auf betonierten Vollspaltenböden ohne Einstreu gehalten. Ihnen steht Zeit ihres Lebens nie eine weiche Liegefläche zur Verfügung, was bei den Tieren, die sehr gross und schwer werden können, zu schweren Gelenksentzündungen führt. Die Stände, vor allem im Deckzentrum, können nicht an die Grösse der einzelnen Sauen angepasst werden. Besonders bei grossen Sauen kommt es zu massiven Hautverletzungen bis hin zu eitrigen Entzündungen, weil die Tiere zu gross für die Einzelstände sind. Da die Tiere dort eng nebeneinander untergebracht sind, können sie im Liegen nie ihre Beine ausstrecken und können nie ohne Kontakt zu Metallstangen völlig ausgestreckt liegen.
Der «Vorteil» der Vollspaltenböden, der die Arbeit der Landwirten erleichtert, ist jener, dass die Tiere ihre Exkremente selbst durch die Spalten in die darunter liegende Güllegrube treten und so die Buchten nicht ausgemistet werden müssen. Bei den Sauen im Kastenstand trifft dies aber nur bedingt zu, da die Tiere aufgrund der massiv eingeschränkten Bewegung ihren eigenen Kot hinter sich nicht durch die Spalten treten können. Der Kot kann sich hinter den Sauen ansammeln, weshalb sie gezwungen sind in ihren Exkrementen zu liegen, was nicht nur während der Geburt äusserst unhygienisch für die neugeborenen Ferkel ist, sondern auch sehr unangenehm für die ansonsten sehr sauberen Tiere.
Ein weiterer gravierender Nachteil dieser Abferkelbuchten ist, dass die Ferkel oft in den Betonspalten eingeklemmt werden, da ihre Füsse kleiner sind als die gängige Spaltenbreite. Durch die Spalten kommt es auch immer wieder zu Verletzungen an den Zitzen der Sau, da diese in den Spalten eingeklemmt werden können1.
Einige Tage vor der Geburt verspüren die Sauen einen starken Drang, ein Nest abseits der Rotte zu bauen. In der Natur würden sie weite Strecken zurücklegen um Zweige, Gras und Laub zu sammeln. In der konventionellen Haltung können sie weder ihren Bewegungsdrang, der damit einher geht, ausleben, noch ein Ferkelnest bauen, was eigentlich ein Grundbedürfnis darstellt. Der Nestbau und die Geburt hängen unmittelbar zusammen und sind in jeder Sau angelegt. Ist das Ausleben dieses natürlichen Bedürfnisses nicht möglich, führt dies zu massivem Stress und Frustration, was die kurz bevorstehende Geburt negativ beeinflussen kann. Das zur Verfügung stellen von Stroh, welches die Sau manipulieren und herumtragen kann, könnte dieses Bedürfnis befriedigen. Studien zeigen, dass bei der Geburt fixierte Sauen mehr Probleme bei den Geburten haben als nicht-fixierte, zudem dauern die Geburten bei fixierten Sauen länger und die Zahl der tot geborenen Ferkel ist höher8.
Ein trauriger, wiederholender Kreislauf
Muttersauen werden wie Gebärmaschinen behandelt. Ihr Leben ist ein ununterbrochener Zyklus aus künstlicher Besamung, Trächtigkeit, Geburt, Säugezeit und erneuter Besamung. Eine Sau kann so zwei bis drei Mal im Jahr trächtig werden, wobei eine Trächtigkeit etwa 114 Tage dauert, gefolgt von einer meist drei-wöchigen Säugezeit3.
In der EU, so wie auch in Österreich, werden die meisten Ferkel gemäss den EU-Rechtsvorschriften im Alter von 21 oder 28 Tagen abgesetzt. In der biologischen Landwirtschaft, in der die Sauen nicht im Kastenstand fixiert werden, sondern frei abferkeln können und auch Einstreu zur Verfügung haben, bleiben die Ferkel 40 Tage oder länger bei den Müttern4. Das Problem bei diesem sehr frühen Absetzen besteht darin, dass das Verdauungssystem der Ferkel, die ja Säugetiere sind, noch nicht vollständig auf die Aufnahme von fester Nahrung ausgelegt ist. Wenn Schweine die Möglichkeit dazu haben, so lange bei der Muttersau zu trinken wie nötig, dann würden sie bis zum Alter von 4 bis 5 Monaten Milchnahrung aufnehmen. Zudem ist das Immunsystem dieser sehr jungen Ferkel noch nicht vollständig ausgebildet, weshalb es in der konventionellen Landwirschaft immer wieder zu Erkrankungen der Ferkel nach dem Absetzen kommt (z.b. Ferkeldurchfall) und die Verabreichung von Antibiotika gang und gäbe ist.
Ein weiteres Problem der modernen Züchtungen ist, dass Sauen oft schon mehr Ferkel bekommen, als sie Zitzen haben. Dies führt zu sehr unterschiedlich ausgeprägten Würfen, zu vielen sehr kleinen, untergewichtigen Ferkeln, die es in der Regel oft nicht schaffen und entweder selbst sterben oder am Betrieb getötet werden müssen. In einigen Ländern gibt es bereits die Praxis überzählige Ferkel von den Müttern wegzunehmen und sie ohne Kontakt zu einer Muttersau mit Milchautomaten grosszuziehen. Eine ideale Mutter-Kind-Bindung kann zudem nur aufgebaut werden, wenn die Sau nicht mehr Ferkel bekommt, als die sie versorgen kann.
Mit 5-7 Monaten befruchtet
Mit rund fünf bis sieben Monaten werden Jungsauen zum ersten Mal besamt. Dazu werden sie im sogenannten «Deckzentrum» in körperenge Stände gesperrt. Die «Rausche» (Phase der Empfänglichkeit) wird durch Hormoninjektionen oder auf natürliche Weise durch die Nähe von Eberpheromonen ausgelöst. Auf diese Weise kann die Sau zu einem vom Betrieb bestimmten Zeitpunkt künstlich besamt werden. In der Regel möchten die Landwirte eine ganze Gruppe von Sauen gemeinsam synchronisieren, so dass alle alle Produktionsstufen am Betrieb gleichmässig belegt sind.
Sobald die Sauen besamt sind, verbleiben sie noch mindestens weitere vier bis fünf Wochen in den Einzelständen des Deckzentrums. Die Industrie argumentiert diese Fixierung der Tiere damit, dass durch die stark eingeschränkte Bewegungsfähigkeit der Sauen die Trächtigkeit besser erhalten werden kann. In Wirklichkeit geht es aber nur um Wirtschaftlichkeit, ein erleichterte Planung für den Betrieb und eine rücksichtslose, kosteneffiziente Produktionsweise. Sobald die Wochen der Isolation vorbei sind, werden sie wieder in die Gruppe entlassen, bis eine Woche vor Beginn des Abferkelns. In den meisten konventionellen Betrieben haben die Sauen aber zu keiner Zeit eine eingestreute Fläche zur Verfügung.
Gebären und Säugen in extremer Enge
Etwa eine Woche vor dem errechneten Geburtstermin wird die Sau in den «Abferkelstall» gebracht. Dort wird sie erneut für etwa vier Wochen in einen Metallkäfig (Kastenstand in der «Abferkelbucht») eingepfercht in dem sie etwa 10 bis 14 Ferkel zur Welt bringen muss, die sie dort rund drei Wochen säugt, oder sogar noch weniger, wenn der Betrieb frühes Absetzen praktiziert. In einer natürlichen Umgebung würde die Sau eine Woche nach dem Abferkeln damit beginnen, ihre Ferkel in die Herde einzuführen und sie in etwa 15 Wochen lang säugen, während die Ferkel die Möglichkeit haben in der restlichen Zeit in der Herde sozialisiert zu werden.
Die Gitterstäbe des Kastenstandes trennen die Mutter von ihren Ferkeln. Die Ferkel können unter den Stäben die Zitzen der Mutter erreichen, aber die Mutter kann keinen liebevollen Kontakt zu ihren Ferkeln aufnehmen, welcher unter natürlichen Bedingungen beobachtet werden kann. Nach dem Absetzen der Ferkel wird die Sau in der Regel fast sofort in das Deckzentrum gebracht, um eine erneute Rausche zu erzeugen. Nur während ihrer Trächtigkeit wird sie einige Wochen lang in der Gruppe mit anderen (trächtigen) Sauen, meist auf Vollspaltenböden, gehalten.
Ferkel gebären bis zum Tod
Eine Sau durchläuft diesen «Produktionszyklus» so lange, bis sie die gewünschte «Aufzuchtleistung» von durchschnittlich etwa 30 Ferkeln pro Jahr nicht mehr erbringt. Danach wird sie geschlachtet. Die meisten Sauen überleben diesen Zyklus nur wenige Jahre. Dabei würde die natürliche Lebenserwartung von Schweinen sehr viel höher liegen.
In der Praxis werden die Zuchtsauen, die keine Leistung mehr für den Betrieb erbringen, sofort nach dem Absetzen der letzten Ferkel zur Schlachtung verbracht, was erheblichen Stress für die Tiere, die wochenlang fixiert gehalten wurden, bedeutet. Mit noch prall gefüllten Eutern in einer Phase, in der sie sehr viel Milch produzieren und oft durch das Haltungssystem und die jahrelange Leistung, die ihnen abverlangt wurde, verursachten Verletzungen, wie geschwollenen Gelenken, Lahmheit und weiteren gesundheitlichen Problemen, müssen sie die beschwerliche letzte Reise auf sich nehmen9.
Rechtliche Situation in Europa
Zahlreiche europäische Länder haben die Fixierung der Sauen bereits in gewisser Weise verboten - einige im Deckzentrum (z. B. Grossbritannien), einige im Abferkelbereich und einige sogar beides. In Schweden und Norwegen ist beispielsweise die Fixierung der Sauen gänzlich verboten. Schwedische Studien belegen, dass es beim freien Abferkeln zu keinen höheren Ferkelverlusten kommt.
In der Schweiz ist die Fixierung der Sau im Kastenstand schon seit einiger Zeit verboten. Im Jahr 1977 wurde ein Verbot von Kastenständen beschlossen, und im Jahr 2007 war die Übergangsfrist abgelaufen. Sauen dürfen in der Schweiz nicht mehr rund um die und während der Geburt und weiters, während der Zeit mit den Ferkeln, fixiert werden. Eine Fixierung im Deckzentrum für maximal zehn Tage ist jedoch noch erlaubt.
Auch Österreich wurde die Kastenstandhaltung von Sauen bereits 2013 verboten, jedoch mit einer Übergangsfrist von 20 Jahren. Derzeit dürfen Zuchtsauen maximal 206 Tage pro Jahr in Kastenständen fixiert werden. In neu gebauten, umgebauten oder erstmalig genutzten Ställen dürfen Schweine jedoch maximal zehn Tage in Kastenständen gehalten werden.
In Deutschland können Sauen etwa zehn Wochen am Stück in Kastenständen gehalten werden - und das mehrmals im Jahr. Eine Woche vor dem voraussichtlichen Abferkeltermin, während der Geburt und während der gesamten Säugezeit von etwa drei Wochen bis inklusive der nächsten Besamung. Die deutsche Gesetzgebung wurde im Jahr 2020 geändert. Seit 1988 besagt diese, dass Schweine, die auf der Seite liegen, ihre Gliedmassen frei ausstrecken können müssen, aber dies wurde jahrzehntelang ignoriert. Im Jahr 2015 wurde in einem Gerichtsurteil festgestellt, dass die verwendeten Sauenboxen nicht der Gesetzgebung entsprechend sind. Anstatt endlich dafür zu sorgen, dass die Gesetze eingehalten und die Ställe endlich zum Wohle der Tiere umgebaut werden, hatte das Landwirtschaftsministerium dafür gesorgt, dass der entscheidende Absatz, der das Ausstrecken der Gliedmassen fordert, aus der Verordnung gestrichen wurde. So dürfen Sauen noch bis 2030 im Deckzentrum fixiert und bis 2037 in Kastenständen gehalten werden.
Die Verwendung von Kastenständen ist in den meisten Ländern der Standard. Aufgrund von Bedenken der Öffentlichkeit wurden einige Gruppenabferkelsysteme in Innenräumen entwickelt, die jedoch in der kommerziellen Praxis nicht in nennenswertem Umfang eingesetzt werden, und die meisten Sauen bleiben während des grössten Teils ihres Lebens in der Kastenstandhaltung5.
Öffentliche Meinung
Ein Grossteil der EU Bürger spricht sich für ein Ende des Kastenstandes aus. Da sich immer mehr Menschen der Grausamkeit von Abferkelkäfigen bewusst werden, fordert die Öffentlichkeit Lebensmittelunternehmen auf der ganzen Welt auf, Fleisch aus Kastenstandhaltung aus dem Sortiment zu nehmen.
Zwischen 2012 und 2015 haben mehr als 200 Lebensmittelunternehmen, darunter Restaurantketten wie McDonald's, Burger King und Wendy's, der Forderung der Verbraucher nach einer tierfreundlicheren Produktion nachgegeben6. Die meisten dieser Unternehmen gehen davon aus, dass sie ihr Ziel einer käfigfreien Produktion bis 2022 erreichen werden, wobei einige ihr Versprechen in ihren EU-Standorten bereits eingelöst haben7.
vier pfoten fordert
- Ein Verbot der Haltung von Sauen in Kastenständen, sowohl im Deckbereich als auch im Abferkelbereich
- Freie Abferkelsysteme (mit Schutzvorrichtungen gegen Erdrücken der Ferkel), in denen sich die Sau ein Nest bauen, bewegen und umdrehen sowie Sozialkontakt zu ihren Ferkeln aufnehmen kann
- Begrenzung einer Einzelfixierung auf ein absolutes Minimum (stundenweise), z.B. zu Behandlungszwecken
- Jederzeit verfügbares Langstroh als Nestbaumaterial im Abferkelbereich vor den Tagen der Geburt
- Jederzeit verfügbares Raufutter zum Fressen und zur Beschäftigung für Sauen (im Deck-, Warte- und Abferkelbereich)
- Gruppenhaltung von Sauen, stabile Gruppenzusammensetzung
- Ausreichend Platz zur freien Bewegung und zur Strukturierung der Bucht
- Eingestreute, weiche Liegeflächen und abgegrenzte Ruhebereiche
- Ausschliessliche Verwendung von Sauen, die im Durchschnitt nur so viele Ferkel zur Welt bringen, wie sie selbst säugen können (Durchschnittliche Anzahl der Ferkel pro Wurf darf Anzahl der Zitzen nicht übersteigen)
Quellenverweis
2) https://thepigsite.com/articles/practical-options-for-indoor-freefarrowing-systems
3) http://www.nzdl.org/gsdlmod?e=d-00000-00---off-0hdl--00-0----0-10-0---0---0direct-10---4-------0-1l--11-en-50---20-about---00-0-1-00-0--4----0-0-11-10-0utfZz-8-00&cl=CL1.14&d=HASH012fbc1291f9d347cee97f25.5.1>=1
4) https://thepigsite.com/articles/basic-pig-husbandry-the-weaner
5) https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/HTML/?uri=CELEX:52001DC0020&qid=1596615262106&from=EN
6) https://civileats.com/2018/03/21/after-a-decade-of-promises-has-the-food-industry-made-progress-on-gestation-crates/
7) https://corporate.mcdonalds.com/corpmcd/scale-for-good/our-food/animal-health-and-welfare.html
8) Anne-Charlotte Olsson, Jos Botermans & Jan-Eric Englund, 2019, Piglet mortality – a parallel comparison between loose-housed and temporarily confined farrowing sows in the same herd., Acta Agriculture Scandinavica, Section A – Animal Science 68(1):1-11.
9) Mette S Herskin, Universität Aarhus, Dängemark