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Interview mit Amtstierarzt Matthias Diener zum Welpenhandel

Amtstierarzt im Kanton St. Gallen, Matthias Diener, im Gespräch mit VIER PFOTEN

27.2.2023

Im Interview spricht Matthias Diener über das grosse Leid, das die noch sehr jungen Welpen durchleben müssen, über die Erfahrungen, die er persönlich gemacht hat und wie sich der Welpenhandel zurzeit entwickelt.

VIER PFOTEN: Herr Diener, Sie sind Amtstierarzt im Kanton St. Gallen und als solcher beim Amt für Verbraucherschutz und Veterinärwesen des Kantons 
St. Gallen (SG) im Veterinärdienst angestellt. Das Veterinäramt ((ZITAT)) ist in der Seuchenbekämpfung aktiv, tritt für den Tierschutz ein und engagiert sich für ein entspanntes Mit- und Nebeneinander von Mensch und Hund. 
Wann genau werden Sie gerufen, was genau macht ein Amtstierarzt im Vergleich zum «normalen» Tierarzt?

Matthias Diener: Ein amtlicher Tierarzt ist ein Veterinär, der durch die Kantone, oder den Bund mit Aufgaben im öffentlichen Veterinärwesen betraut worden ist. Wie bereits durch Sie erwähnt, sprechen wir konkret von Tierschutz, vom Erhalt der Tiergesundheit / Bekämpfung von Tierseuchen und von Einsätzen in der Lebensmittelüberwachung. Der Beruf des amtlichen Tierarztes unterscheidet sich vor allem dadurch vom Beruf des kurativ tätigen Tierarztes, dass Behandlungen von kranken Tieren nicht das primäre Einsatzgebiet sind.

Wir werden gerufen bei Vergehen gegen die Tierschutzgesetzgebung und bei der Prävention oder Bekämpfung von Tierseuchen. Ebenfalls kommen wir bei Veranstaltungen mit Tieren, Importen und Exporten von Tieren und Produkten tierischer Herkunft zum Einsatz. Auch entlang der Lebensmittelkette gibt es diverse Funktionen, die durch (amtliche) Tierärzte ausgeführt werden.

Nun gibt es in der Schweiz, genauer gesagt allein im Kanton SG, laut einer SRF-Dokumentation von 2021 pro Woche ca. 1-2 Fälle von Welpen-Importen aus EU Ländern im Osten Europas in die Schweiz. Welpen, welche oftmals per Mausklick im Internet gekauft wurden. Wie ist hier der aktuelle Stand? Haben sich diese Zahlen verändert? 

Man muss unterscheiden zwischen privaten und gewerblichen, sowie korrekten und nicht korrekten, sprich illegalen Importen. Im Jahr 2022 fanden gemäss der EU Datenbank IMSOC / TRACES total 186 gewerbliche Importe von einem oder mehreren Heimtieren in den Kanton SG statt. In der Regel sind das viele Hunde und wenige Katzen.

Die Anzahl der durch uns bearbeiteten illegalen Importfälle von Heimtieren hat im vergangenen Jahr von 115 auf 75 abgenommen. Es ging konkret um 65 Hunde und 14 Katzen, also insgesamt 79 Tiere.

 

Zur SRF-Dokumentation

Was genau muss bei einem Welpentransport «passieren», damit Sie gerufen werden?

Wir werden gerufen, wenn bei der Kontrolle eines solchen Transports Unregelmässigkeiten bei den Dokumenten festgestellt werden, oder der Transport bezüglich Tierschutz problematisch ist. Meist werden wir durch den Zoll, seltener durch die Polizei avisiert. Unregelmässigkeiten sind zum Beispiel nicht vorhandene, gefälschte oder manipulierte Pässe, oder Gesundheitsdokumente.

Wie «erkennen» Sie persönlich – nach unzähligen solcher Fälle – dass es sich um die sog. «Welpenmafia» handelt?

Gewisse «Händler» sind uns schon seit Jahren bekannt, bei anderen lässt sich aufgrund der Vorgehensweise darauf schliessen. Oft fallen bei der Kontrolle von Dokumenten die immer wieder gleichen Absender oder Zielorte auf.

Fallen Ihnen als Amtstierarzt bei den Welpen sog. «Trends» auf bezüglich Gesundheit (bzw. Krankheiten), Herkunft oder Preis dieser Hunde, stechen bestimmte Dinge besonders hervor? Oftmals erscheint einem ein Hund fast schon wie ein Livestyle Produkt – Fehlfarben wie Merle werden bestellt, etc.

Da wir oft nicht genau wissen, was für Rassen bei den gewerblichen Importen im Vordergrund stehen (die Rasse muss auf den Zeugnissen nicht angegeben werden), kann ich diese Frage nicht wirklich beantworten. Bei den illegalen Importen fällt ein Trend zu kleinen Hunden und zu Hunden mit speziellen Fell- oder Augenfarben auf.

Matthias Diener, Amtstierarzt Kanton St. Gallen

Kontrolle eines Hundetransports durch das Amt für Verbraucherschutz und Veterinärwesen (AVSV)

Im europäischen Ausland müssen Welpen in der Regel beim Import mind. 15 Wochen alt sein, die Schweiz erlaubt dies ab 8 Wochen. Dies scheint ausgenutzt zu werden, transportieren die Welpenhändler doch viel zu junge Welpen in die Schweiz. SP-Nationalrätin Martina Munz hat dem Bundesrat darum die Frage gestellt, ob die Schweiz die 15-Wochen-Regel übernehmen wird. Ebenso wurde am 12.12.22, eine Motion von ihr angenommen, bei welcher Bund und Kantone den Kampf gegen tierquälerischen Welpenhandel verstärken sollen. Das Parlament verlangt verbindliche Regelungen, um den Daten- und Informationsaustausch mit ausländischen Behörden sicherzustellen. 
Es tut sich also etwas. Wie erfolgsversprechend schätzen Sie diese neuen Situationen ein?
 

Persönlich bin ich sehr froh, dass sich bezüglich dem Welpenhandel in letzter Zeit einiges bewegt. Wie und ob diese Entwicklung in Zukunft Konsequenzen in der Gesetzgebung und im Vollzug hat, muss sich noch zeigen. Ich verspreche mir aber einiges davon.

Der illegale Welpenhandel existiert, dennoch scheinen viele Menschen immer noch nicht davon zu wissen. Wo liegt die Verantwortung? Beim «Vermehrer»? Beim Käufer? Der Bund setzte bislang auf die Eigenverantwortung der «Konsumenten».
Es ist ein Faktum: wenn man einen Hund im Ausland holt und ihn über die Grenze bringt, haftet man selbst. Nun haben diese Hunde teils gefälschte Pässe, das ist für die Einfuhr aber auch für den Hund und den «Endabnehmer» ein Problem. Bitte erläutern Sie dies. Und wer macht sich denn hier haftbar, benötigt es (noch) mehr Aufklärung für den Konsumenten? Oder müsste man – trotz Unwissenheit – fehlbare Hundekäufer noch härter büssen?

In der Pflicht ist der Käufer. Er muss sich vor der Anschaffung eines Hundes informieren. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV und diverse Tierschutzorganisationen bieten unzählige Hilfestellungen. Diese Unterlagen sind im Internet jederzeit verfügbar.

Warum sich einige Leute beim Kauf eines Bildschirms oder Handys unzählige Gedanken machen, im Internet surfen und Kollegen fragen, aber beim Hundekauf einfach schnell «googeln» und einen Welpen in den Warenkorb legen, kann ich nicht nachvollziehen. Es wäre zu begrüssen, wenn von Seiten der Gesetzgeber die Besteller mehr in die Pflicht genommen würden. Da die Vermehrer ihren Sitz im Ausland haben, ist es schwierig dort den Hebel anzusetzen.

Die Welpen werden auf dem Transport oftmals krank – Stichwort Parvovirose. Die Welpen stecken sich im Verlauf der Reise an. Auch Hunde aus Tollwutländern kommen in der Schweiz an. Wie ist hier das genaue Vorgehen?
 
Hat der Amtstierarzt die Möglichkeit die Hunde aus Tollwutländern dann in Quarantäne zu schicken? Oftmals müssen Hunde aber auch eingeschläfert werden. Die Zahl euthanasierter Hunde hat sich laut SRF Doku von 2020 auf 2021 verdoppelt. Kommt diese Erhöhung auch oder vor allem durch den Welpenhandel?

Gerade Welpen, die im Alter von 8–10 Wochen einem grossen Stress, wie zum Beispiel einer Reise über hunderte Kilometer in die Schweiz, ausgesetzt werden, laufen aufgrund ihrer Immunitätslage Gefahr, sich dabei Durchfall- oder Lungenerkrankungen einzuhandeln. Es kommt leider auch immer wieder zu Todesfällen.

Die Tollwut ist bekanntlich eine Krankheit, die den Menschen und diverse Tierarten betreffen kann. Nach dem Auftreten der ersten Symptome verläuft sie tödlich. Wir müssen also alles daransetzen, dass diese in der Schweiz ausgerottete Krankheit nicht wiederaufkommt. Es ist aber nicht unmöglich, Hunde aus Ländern mit vorhandener Tollwut in die Schweiz zu importieren. Dies wird je nach Herkunftsland, je nach Tollwutrisiko mittels sehr restriktiver Vorgaben umgesetzt. Wenn die Vorgaben bei der Einreise nicht erfüllt sind, können Tiere zum Schutz der Schweizer Bevölkerung und aller empfänglichen Tiere in eine Quarantäne gesetzt oder im Extremfall euthanasiert werden. Die Corona-Situation der letzten zwei Jahre hat zu einem Hunde-Boom geführt, welcher durch die inländische Hundezucht nicht aufgefangen werden konnte. Dies hat in der Folge zu mehr Import und entsprechend auch zu mehr Ungewissheit bezüglich Tollwut geführt.

Können Sie uns sagen, wie viele Welpen im Kanton St. Gallen 2021 und 2022 aufgrund fehlender Tollwutimpfung euthanasiert wurden?

Hunde werden nicht einfach nur aufgrund einer fehlenden Tollwutimpfung euthanasiert. Es findet immer zuerst eine Risikobeurteilung statt. Am Schluss der Beurteilung wird über das weitere Vorgehen entschieden. Im Jahr 2021 wurden aufgrund einer Anordnung des Veterinärdienstes des Kantons SG 5 Hundewelpen euthanasiert. 2022 mussten wir zum Glück nicht zu dieser Massnahme greifen.

Können Sie uns ein persönliches Erlebnis mitteilen, welches Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Es ist nicht ein einzelnes persönliches Erlebnis, sondern eine generelle Feststellung. Wir haben das Glück, mit diversen Tierheimen zusammen arbeiten zu können, die uns bei unserer Tätigkeit tatkräftig unterstützen. Es ist immer wieder schön zu erleben, wie viel Herzblut und Arbeit die Leiter*innen und Mitarbeiter*innen in diese Fälle stecken. Wenn dann auch dank diesem Einsatz ein Welpe nach seiner Zeit im Heim / in Quarantäne wieder an seine ursprünglichen Besitzer oder an neue Tierhalter übergeben werden kann, macht das mir immer sehr viel Freude.

Vielen Dank an Herrn Diener für das ausführliche Interview und die Einblicke in seinen Alltag. 

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