DAs waren die Speaker am IAWS 2018
Unter dem Metathema «Tierschutz – Zukunftsfrage oder Luxusproblem?» beleuchteten im Wiener Schloss Schönbrunn internationale Speaker und Teilnehmer die Rolle des Tierschutzes aus gesellschaftlicher, ökonomischer, rechtlicher und ethischer Sicht.
Die Vorträge und Diskussionen waren dabei aufgeteilt in die drei Panels Lebensräume, Ernährung und Wirtschaft.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen
Eröffnungsrede
Vytenis Andriukaitis, EU-Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit
Einleitende Worte des EU-Kommissars
Raj Patel, Schriftsteller, Aktivist und Wissenschaftler
Keynote "Die Erde für uns alle?"
Durch Begriffe wie »Anthropozän” (das Zeitalter des Menschen) wird uns erklärt, dass die gegenwärtige ökologische Katastrophe eine unausweichliche Konsequenz des Menschseins ist. Aber unser Schicksal ist nicht untrennbar mit unserer Spezies verbunden. Unsere derzeitige Zustandsänderung liegt einem sozio-ökologischen System zu Grunde, das – unter anderem – eine wesentliche Idee verfolgt: Dass Menschen generell unabhängig von der Natur, im Besonderen aber von anderen Lebewesen, sind. Wie würde es jedoch aussehen, wenn wir Menschen unsere Beziehung zueinander, aber auch zu anderen Wesen im Geflecht des Lebens neu verhandeln würden? Wie würde ein Planet für alle aussehen?
Paul Waldau, Universitätsprofessor und Autor
Menschen und andere Tiere – eine essentielle Verbindung? Argumente für einen holistischen Ansatz.
Menschen brauchen ein starkes Gefühl von "Fürsorge", nicht nur, weil diese Vorstellung nicht menschlichen Tieren eindeutig zugutekommt, sondern auch, weil eine solche Lebensweise das Wohlergehen jeder menschlichen Gemeinschaft und ihrer Individuen fördert. Die gute Nachricht ist, dass bereits einiges an Forschungsarbeit im Gange ist, um die «menschlichen Ausnahmeregelungen» in vielen unterschiedlichen Bereichen unseres Lebens und der Bildung in Frage zu stellen.
Marc Pierschel, Regisseur und Autor
Zusammenleben Mensch und Tier - Von der Theorie "Zoopolis" inspirierte Beispiele.
Viele Tierarten sind durch den Verlust ihrer Lebensräume vom Aussterben bedroht. In Städten sind Nagetiere und solche Arten, die ihre Nischen für ihr Überleben gefunden haben, unerwünscht und verachtet. Auf der anderen Seite sehnt sich die urbane Bevölkerung nach einer engeren Beziehung zur Tierwelt, was nicht zuletzt durch die stetig wachsende Anzahl an Haustieren deutlich wird. Doch wie können wir unsere Städte, die Infrastruktur und unsere Umwelt verändern, um den Bedürfnissen der Tiere gerecht zu werden? Pierschel greift bei der Beantwortung dieser Frage auf das Konzept «Zoopolis» zurück, eine Vision des friedvollen Zusammenlebens zwischen Mensch und Tier.
Vidya Athreya, Ökologin
Vorsicht Mensch! Können Wildtiere mit uns koexistieren?
Indien ist eines der am dichtesten besiedelten Länder weltweit, verfügt aber gleichzeitig über die höchsten Bestände wildlebender, vom Aussterben bedrohter Tierarten, wie Elefanten, Tiger und Asiatische Löwen. Die Forschung zeigt, dass es in Indien derzeit verschiedenste Arten des Zusammenlebens zwischen Menschen und Wildtieren gibt, dieses allgemein jedoch nur zu oft unter dem Begriff «konfliktreich» beschrieben wird. Wären heutzutage auch alternative Arten des Zusammenlebens zwischen Menschen und Wildtieren denkbar?
Fishbowl Diskussion:
Krisen, Kriege, Katastrophen - Haben Tiere ein Recht auf Rettung?
HRH Princess Alia Al Hussein - Gründerin "Princess Alia Foundation"
Phone Win - Mediziner, "Mingalar Myanmar"
Corinna Milborn - Journalistin
Marcus Bachmann - Ärzte ohne Grenzen
Erdbeben, Überflutungen, gewaltreiche Konflikte oder Kriege entziehen Einzelpersonen, Familien und auch ganzen Gemeinden die Lebensgrundlage. Ist es neben der raschen humanitären Hilfe auch gerechtfertigt, den Tieren in den betroffenen Gebieten zu helfen? Vertreter aus den Bereichen Medien, humanitäre Hilfe und Tierschutz diskutieren gemeinsam mit dem Publikum.
Tanja Busse, Journalistin und Autorin
Unsere Ernährung, unsere Verantwortung - Fakten und Visionen für einen tiergerechten Konsum.
Wir können nicht weiter so essen wie wir es derzeit tun. Eine Änderung unseres Ernährungssystems ist dringend notwendig. Die Art und Weise, wie wir Nahrungsmittel in der westlichen Welt produzieren und konsumieren, schädigt unsere Gesundheit, die Umwelt, die Bauern und auch die Tiere - sowohl Nutz- als auch Wildtiere. Intensive Landwirtschaft beutet nicht nur Nutztiere aus, sondern zerstört auch die Lebensräume von Wildtieren. Es ist äusserst wichtig, dass alle fortschrittlichen Kräfte zusammenarbeiten und eine gemeinsame Vision eines besseren Lebensmittelsystems entwickeln. Dabei müssen die Landwirte Teil der Lösung sein. Lediglich etwas höhere Tierschutzstandards in einem ansonsten gänzlich unnachhaltigen Nahrungssystem sind keine Option.
Guillaume Betton, Landwirt "Pôle Viandes Locales"
Pioniere im Land der Gourmets - Kurze Wege vom Feld auf den Teller.
Betton führt das «Pôle Viandes Locales», eine Initiative, die alle Schritte im tierischen Produktionskreislauf vereint, sozusagen von der Weide bis zum Teller. Insgesamt 60 Landwirte haben sich in diesem Verbund zusammengeschlossen, der für sie nicht nur unternehmerische Freiheit bedeutet, sondern auch die Werte der Zusammenarbeit, einer sozialen, solidarischen und lokalen Wirtschaft sowie des Tierschutzes von der Geburt bis zum Tod achtet. Dieses ehrgeizige und innovative Projekt war bereits Inhalt zahlreicher wissenschaftlicher Studien, denn das gesamte Projekt ist auf die Bedürfnisse des Tiers ausgerichtet, von den Geräuschen über die Beleuchtung bis hin zu den Gerüchen.
Tarique Arsiwalla, Vizepräsident International Platform of Insects for Food and Feed (IPIFF)
Die krabbelnde Alternative - Heuschrecken zum Mittagessen?
Insekten könnten unser aktuelles System der Lebensmittelproduktion nachhaltiger gestalten. Und das gleich zweifach: als Nahrungsmittel für Menschen, aber auch als Futter für Nutztiere. Die Zukunft unseres Ernährungssystems wird durch eine systemische Innovation über den ökologischen Fussabdruck, Tierschutz und Kosteneffizienz definiert werden. Obwohl zwischen diesen Triebkräften eine klare und natürliche Spannung besteht, können sie Fortschritte in den Bereichen der Biologie und Technologie zusammenführen. Um zu erreichen, dass alle Menschen Zugang zu einer guten Ernährung haben und gleichzeitig die Stabilität in natürlichen Ökosystemen erhalten wird, ist eine Systemumgestaltung notwendig. Insektenbasierte Ernährung kann eine entscheidende Rolle beim Übergang zu einer künftig gesicherten Nahrungsmittelversorgung spielen.
Kurt Schmidinger, Geophysiker und Lebensmittelwissenschaftler
A.I., 3D Drucker, Laborfleisch - Innovationen für den Ersatz von Fleisch, Eiern und Milchprodukten
Müssen wir Fleisch, Milch und Eier wirklich ersetzen? Nach einem kurzen Plädoyer für ein "Ja" auf diese Frage, wird Schmidinger die pflanzlichen Alternativen zu Tierprodukten einer Analyse unterziehen. Das bedeutet einen Status quo der innovativsten Ansätze weltweit, wie etwa den «blutenden Burger aus Pflanzen» oder den Einsatz von künstlicher Intelligenz bei der Entwicklung von neuen pflanzlichen Lebensmitteln. Wird Clean Meat (In-vitro Fleisch) das Fleisch der Zukunft? Wer sind die Investoren, und wie weit ist es noch von der Marktreife entfernt?
Jörg Luy, Veterinär und Tierethiker
Tiere essen oder nicht essen? Ernährung und Tierethik.
Luy wird die Positionen der Vorredner aus ethischer Sicht besprechen und kurz deren Vor- und Nachteile aufzeigen. Zu diesem Zweck wird er auf einige neue Erkenntnisse über ethische Entscheidungsfindung verweisen. Die Erklärung, warum wir beim Nutztierschutz in den vergangenen Jahrzehnten nicht wirklich vorangekommen sind, liefert möglicherweise unser evolutionäres Erbe. Ein aktuelles Forschungsprojekt des deutschen Landwirtschaftsministeriums ist auf Indizien für eine unbewusste Motivationssteuerung gestossen. Diese erklärt, was uns konkret daran hindert, beim Tierschutz voranzukommen, zeigt aber gleichzeitig auf, auf welche Weise moralische Konflikte, wie jener rund um den Nutztierschutz, gelöst werden könnten.
Nicky Amos, Geschäftsführerin Business Benchmark on Farm Animal Welfare (BBFAW)
Tierschutz als Wettbewerbsvorteil - Risiko oder Chance?
Viele Nahrungsmittelkonzerne weltweit betrachten Nutztierschutz mittlerweile als eine der wichtigsten Nachhaltigkeitsfragen. Sie veröffentlichen zum Beispiel Ziele für die Nutztierhaltung, wie die Vermeidung von enger Käfighaltung. Die Realität zeigt jedoch, dass viele Firmen nach wie vor mit strukturellen und kommerziellen Hindernissen konfrontiert sind, wenn sie Nutztierschutz in ihre Unternehmensstrategie integrieren wollen. Die vermeintlich mangelnde Bereitschaft, der Konsumenten für mehr Tierwohl auch höhere Preise zu bezahlen, der hohe Kapitaleinsatz oder das fehlende Bewusstsein für die Geschäfts- und Marketingvorteile sind nur einige dieser Hindernisse.
Jörg Altemeier, Veterinär und Leiter Stabstelle Tierschutz bei Tönnies Lebensmittel
Sparte Produktion.
Alles Wurst? Tierwohl in der Fleischindustrie.
Tönnies Lebensmittel gehört zu den grössten Schlachtbetrieben für Schweine und Rinder in Deutschland. Jörg Altemeier präsentiert, aus welchem Grund – Ethik, Recht, Anforderungen von Gesellschaft und Kunden – das Unternehmen auf mehr Tierschutz bei der Schlachtung setzt, und inwieweit versucht wird, auf die vorgelagerten Stufen einzuwirken. Er wird auch darüber sprechen, wie die Umsetzung der Tierschutzmassnahmen intern kontrolliert und sichergestellt werden.
Pamela Ravasio, Head of CSR & Sustainability der European Outdoor Group
& Hanna Denes, Senios Standards Manager bei Textile Exchange
Sparte Handel.
Tierschutz als ständige Balance zwischen Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit.
Die Outdoor-Branche beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Tierschutz. Sie hat sich von ihrer Rolle als vertrauensvoller und bemühter Lieferant weiterentwickelt; von Eigenerklärungen über interne Audits bis hin zur Verwendung von Standards von Drittanbietern und Zusammenarbeit mit NGOs; von ihrem geringen Wissen über artspezifische Anforderungen bis hin zu einer schrittweisen Aufklärung über die Bedürfnisse der Tiere in ihren Lieferketten. Doch genau diese guten Absichten öffneten die Tür zu einem komplexen, multidimensionalen Puzzle. Ein Puzzle, in dem Tierschutz nur ein kleiner Bestandteil ist.
Im Anschluss: Bühnengespräch zwischen Hanna Denes und Pamela Ravasio, moderiert von Nina Thüllen.
Helene Karmasin, Motivforscherin
Eine Frage der Moral? Was Konsumenten motiviert und wem sie vertrauen.
Tierschutz liesse sich am einfachsten durchsetzen, wenn Konsumenten aktiv jene Waren kaufen würden, die diesen Aspekt berücksichtigen, auch wenn sie etwas mehr dafür bezahlen müssen. Welche Motive haben Konsumenten, diese Entscheidung zu treffen? Bei der Beantwortung dieser Frage wird klar, dass es «den Konsumenten» nicht gibt; es gibt vielmehr sehr unterschiedliche Gruppen von Konsumenten, die sich durch ihre Soziodemographie, aber auch durch ihre Werte, moralischen Orientierungen und Lebensstile unterscheiden – welche davon sind für Tierschutz anzusprechen und welche nicht? Wie bei allem, das gehandelt wird, ist ausserdem die Frage zu stellen, welche Kommunikationsstrategien verwendet werden: Wie wird Vertrauen aufgebaut? Auch ethische Konsumgüter können sich nicht auf den rationalen Diskurs allein verlassen, sondern müssen die spezifischen Gemütszustände von Konsumenten berücksichtigen.