Sie sind ein Familienunternehmen in der sechsten Generation. Was hat dazu geführt, dass Sie jetzt vegetarische und vegane Produkte in das Sortiment aufgenommen haben? Wie intensiv waren die internen Diskussionen vorab?
Wir haben gesehen, dass immer mehr Menschen bewusst weniger oder gar kein Fleisch essen. Gründe dafür gibt es viele: die eigene Gesundheit, die Sorge um den fortschreitenden Klimawandel, Kritik an der Massentierhaltung oder auch eine Verunsicherung durch Lebensmittelskandale in der Vergangenheit. Allerdings mögen die meisten Vegetarier eigentlich den Geschmack von Fleisch und Wurst. Und genau hier setzen wir mit unseren Produkten an: Sie sehen genauso aus, schmecken ebenso lecker und haben den gleichen Biss wie das Original aus Fleisch. So können Flexitarier, Vegetarier und Veganer sich auch weiterhin unbesorgt ihre Lieblingswurst, Spaghetti Bolognese oder ein Schnitzel schmecken lassen. Natürlich gab es intern schon einige Diskussionen als ich mit der Idee für eine fleischlose Produktlinie kam. Zum Glück stand unser Chef, Christian Rauffus, von Anfang an dahinter. Denn auch ihm war klar: Die Verbraucher fragen immer mehr – zu Recht – danach, unter welchen Bedingungen Lebensmittel erzeugt und hergestellt werden und welche Auswirkungen das auf die Umwelt hat. Wir müssen uns darüber bewusst werden, dass wir, global betrachtet, nicht einfach so weiter wirtschaften können wie bisher. Und mit dem grossen Erfolg unserer vegetarischen Produkte sind inzwischen auch alle Zweifel der Kollegen verschwunden.
Wissen Sie, ob Sie mit den Veggi-Produkten eher neue Kunden (Vegetarier) gewinnen, oder ob es eher Fleisch-Esser sind, die nun auch mal zum Veggi-Schnitzel greifen?
Beides. Auch unter unseren Kunden gibt es ja viele Flexitarier, also Menschen, die weniger dafür aber bewusst Fleisch oder Wurst essen wollen. Diese freuen sich darüber, dass es nun fleischfreie Produkte von der Rügenwalder Mühle gibt, die genauso schmecken, wie sie es von den klassischen Produkten gewöhnt sind. Daneben sprechen wir natürlich auch mit Vegetariern und Veganern eine neue Gruppe an, für die unser Sortiment bisher nicht in Frage kam.
Haben Sie geplant, den Bereich auszuweiten? Wenn ja, welches Ziel streben Sie an?
Seitdem wir mit den ersten vegetarischen Produkten im Dezember 2014 gestartet sind, haben wir unsere fleischfreie Produktlinie kontinuierlich auf aktuell 18 Produkte ausgebaut. Und bis zum Ende dieses Jahres werden wir noch weitere vegetarische/vegane Produkte auf den Markt bringen. Unser Ziel ist es, im Jahr 2020 40 Prozent unseres Umsatzes mit vegetarischen/veganen Produkten zu machen.
Bedeutet das gleichzeitig, dass Rügenwalder die Fleischprodukte mengenmässig reduzieren wird?
Derzeit geht der Umsatz von Produkten aus Fleisch in etwa so stark zurück, wie der Umsatz der fleischfreien Produkte steigt. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, unser Ziel für 2020 zu erreichen. Ob das tatsächlich gelingen wird, hängt vom Einkaufsverhalten der Kunden ab.
Immer mehr Kunden fordern einen hohen Tierschutzstandard. Wie wichtig ist Ihnen dieses Thema? Wie stellen Sie sicher, dass Sie Fleisch aus einer tierschutzgerechten Haltung beziehen?
Das Thema tierschutzgerechte Haltung spielt für uns eine sehr wichtige Rolle. Bereits 2012 hatte die Rügenwalder Mühle den internen Arbeitskreis Tierwohl ins Leben gerufen. Das Ziel war es, die Haltungsbedingungen und das Wohlbefinden der Tiere zur Lebensmittelherstellung zu verbessern, indem wir in einem ersten Schritt entsprechende Forschungsvorhaben finanziell unterstützt haben. Im zweiten Schritt geht es nun darum, die theoretischen Erkenntnisse in die Praxis zu übertragen. Hier arbeiten wir mit einem ausgewählten Lieferanten an der Umsetzbarkeit der Forschungsergebnisse auf die landwirtschaftlichen Betriebe. Und auch die Einführung unserer neuen Bio-Produkte ist eine Konsequenz im Rahmen unseres Engagements für bessere Haltungsbedingungen und das Wohlbefinden der Tiere. Wenn genug Rohstoffe vorhanden sind und die Verbraucher es wünschen, machen wir in diesem Segment gerne mehr.
Wir beziehen das Fleisch, das wir verarbeiten von acht Lieferanten, mit denen wir z. T. schon seit Jahrzehnten zusammenarbeiten. Wir kaufen keinen billigen Rohstoff auf Spotmärkten. Durch eine lückenlose Rückverfolgbarkeit der Rohware wissen wir immer, wo unser Fleisch herkommt. Die Tiere stammen alle von zertifizierten landwirtschaftlichen Betrieben und die Einhaltung der Zertifizierungskriterien wird regelmässig kontrolliert.
Uns ist aufgefallen, dass viele vegane Produkte (z.B. Vegetarische Pommersche) das Wort «vegetarisch» im Produktnamen haben. Warum?
Wir haben für die Kennzeichnung unserer gesamten vegetarischen Produktlinie ein einheitliches Kommunikationskonzept und verwenden deshalb für alle Produkte den Oberbegriff «vegetarisch». Die veganen Produkte sind aber zusätzlich gut sichtbar mit dem Vegan-Siegel auf der Vorderseite der Verpackung gekennzeichnet. So erkennen Veganer auf einen Blick, welche unserer fleischfreien Produkte für sie geeignet sind.
Uns ist aufgefallen, dass viele vegane Produkte (z.B. Vegetarische Pommersche) das Wort «vegetarisch» im Produktnamen haben. Warum?
Wir haben für die Kennzeichnung unserer gesamten vegetarischen Produktlinie ein einheitliches Kommunikationskonzept und verwenden deshalb für alle Produkte den Oberbegriff «vegetarisch». Die veganen Produkte sind aber zusätzlich gut sichtbar mit dem Vegan-Siegel auf der Vorderseite der Verpackung gekennzeichnet. So erkennen Veganer auf einen Blick, welche unserer fleischfreien Produkte für sie geeignet sind.
Können Sie sich vorstellen, dass Rügenwalder eines Tages auch Invitro-Würstchen anbietet?
Wenn der Verbraucher diese Art der Ernährungszubereitung annimmt und nachfragt, warum nicht? Wir achten schon immer sehr auf die Wünsche der Verbraucher. Zwingend notwendig sind für uns immer der gute Geschmack und die Qualität unserer Produkte. Wenn das durch die Invitro-Methode möglich ist, könnten wir uns das durchaus vorstellen.
Meinen Sie, dass dieses Fleisch irgendwann die konventionelle Landwirtschaft ablösen wird?
Das ist schwer zu sagen, aber durchaus denkbar. Aktuell ist in diesem Bereich noch viel zu tun. Aber wer weiss, wie das Ergebnis in ein paar Jahren aussieht. Vor ein paar Jahren konnte sich auch niemand vorstellen, dass unsere vegetarischen/veganen Produkte so erfolgreich sein würden.
Hand aufs Herz – könnten Sie als Unternehmen sich vorstellen, eines Tages ganz auf tierisches Fleisch zu verzichten und nur noch pflanzliche Alternativen anzubieten?
Der Trend weniger oder gar kein Fleisch mehr zu essen, ist ein genereller gesellschaftlicher Trend, der sich unserer Meinung nach dauerhaft etablieren und auch noch verstärken wird. Wenn in 20 Jahren keiner mehr Fleisch isst, werden wir auch keine Fleisch-Produkte mehr herstellen, sondern uns vermutlich auf die fleischfreien Alternativen und anderen Produkte konzentrieren.
Die Welt ein bisschen besser machen – das wollen viele. Was ist ihr spezieller Beitrag als Unternehmen?
Als Lebensmittelhersteller möchten wir Verantwortung übernehmen. Das betrifft natürlich zum einen unsere Produkte. Deswegen haben wir auch unsere vegetarische/vegane-Linie eingeführt. Aber wir kümmern uns nicht nur um das Produkt, sondern auch um das «Drumherum». Wir achten immer auf die Bedürfnisse der Verbraucher und die Entwicklungen in der Gesellschaft. Lecker alleine reicht nicht. So haben wir seit einem Jahr unsere Produktion auf 100 % Ökostrom umgestellt. Wir sind Mitglied bei Donau Soja, die sich für den Anbau von Soja in Europa einsetzen. Und gerade haben wir unsere ersten Bio-Produkte auf den Markt gebracht. Denn Tierwohl und die Haltungsbedingungen der Tiere sind für uns natürlich auch ein wichtiges Thema.
Welches Nutztier wären Sie am liebsten?
Wenn, dann ein InVitro-Rind, denn dann wird mir ab und an mal etwas Blut abgenommen und den Rest der Zeit kann ich artgerecht gehalten werden.