alternative methoden zur Ferkelkastration
VIER PFOTEN fordert ein generelles Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration
Die betäubungslose Kastration männlicher Ferkel in der Schweinehaltung (die sogenannte Ferkelkastration) wird oft als alternativlos dargestellt. Begründet wird dieser äusserst schmerzhafte Eingriff meist mit dem Risiko des sogenannten Ebergeruchs. Ebergeruch tritt jedoch äusserst selten und nur beim Erhitzen des Fleisches auf. Ausserdem gibt es mehrere Alternativen. Neben der Ebermast und der Impfung gegen Ebergeruch (Immunokastration) gehört auch die chirurgische Kastration unter Vollnarkose dazu.
Alle drei Alternativen sind akzeptabel. Nicht akzeptabel sind dagegen Methoden, die den Schmerz oder das Bewusstsein nicht ausreichend ausschalten, wie zum Beispiel bei der Lokalbetäubung.
Die Ferkelkastration darf in der Schweiz nur unter Betäubung durchgeführt werden.
Alternativen zur Betäubungslosen Kastration
Ebermast
Bei der Ebermast (oder Jungebermast) wachsen die männlichen Schweine heran, ohne kastriert zu werden. Die Tiere sind lebhafter, es kann zu vermehrter Aktivität im Stall kommen. Die Haltungsbedingungen müssen deshalb den besonderen Bedürfnissen der Eber angepasst werden. Ein gutes Management ist erforderlich. In Grossbritannien, Irland und einigen anderen Ländern werden traditionell flächendeckend Eber gezüchtet, die nicht kastriert werden.
Immunokastration – Impfung gegen Ebergeruch
Hier erfolgt eine «reversible Kastration» durch Impfung eines Stoffes (Improvac), der die Hodenaktivität unterdrückt. Das Wachstum der Hoden ist verringert und es entsteht kein Ebergeruch. Der Impfstoff wird mit einem Sicherheitsinjektor appliziert. Eine unabsichtliche Selbst-Injektion, mit der auch Anwender gefährdet werden könnten, ist somit so gut wie ausgeschlossen. Die Immunokastration ist keine Hormonbehandlung und das Schweinefleisch daher nicht hormonhaltig. Dies ist für Verbraucher wichtig zu wissen.
Länder, die die Impfung gegen Ebergeruch bereits seit 1998 erfolgreich einsetzen, sind Neuseeland und Australien. Breitflächig wird sie seit 2005 auch in Brasilien durchgeführt. In der Schweiz ist das Präparat seit 2007 als Impfstoff zugelassen, in der EU seit 2009. Es kommt vor allem in Belgien zum Einsatz.
Genetische Kastration
Die Genmanipulation ist derzeit in der gesamten Europäischen Union nicht erlaubt, aber das könnte sich in naher Zukunft ändern. Es gibt ständig neue Entwicklungen und Forschungen zur Verbesserung des Tierschutzes, und Länder ausserhalb der EU arbeiten bereits an der Einführung der genetischen Kastration, um das unnötige Leiden von Schweinen während der Kastration zu verhindern.
Es gibt viele Möglichkeiten, die Gene so zu verändern, dass die Schweine kastriert werden und somit die Ebergeruchskrankheit verhindert wird. Eine Möglichkeit scheint darin zu bestehen, den männlichen Phänotyp zu unterdrücken, bei dem sich die Hoden nicht entwickeln, obwohl der Genotyp der Schweine männlich ist. Eine andere Möglichkeit besteht darin, das männliche Chromosom im Sperma zu zerstören, so dass alle Ferkel des Wurfs weiblich werden, oder die Gene in den männlichen Ferkeln zu entfernen, die die Adoleszenz verursachen. Letzteres erfordert die Injektion von Hormonen, was traditionell nicht mit der öffentlichen Wahrnehmung von sicheren tierischen Produkten vereinbar ist1.
Unabhängig davon, welche Methode der genetischen Kastration angewandt wird, muss mehr Forschung betrieben werden, um den Tierschutz zu gewährleisten. Es ist sicherzustellen, dass kein Missbrauch des Gen-Editierens stattfindet, und man muss sich darüber im Klaren sein, dass es sich immer noch um eine Manipulation der Integrität eines Tieres handelt.
Alternativen mit chirurgischer Kastration
Diese sind nur unter Vollnarkose zulässig. Ist eine chirurgische Kastration unumgänglich, sind die folgenden Anästhesiemethoden vorübergehend akzeptabel:
Inhalationsnarkose (Isofluran) und Schmerzbehandlung
Bei dieser Methode werden die Ferkel durch eine Inhalationsmaske mit dem Betäubungsmittel Isofluran anästhesiert. Diese Anästhesie ist in Deutschland und Österreich nur durch einen Tierarzt erlaubt. In der Schweiz hingegen dürfen auch darin geschulte Landwirte diese Betäubungsform bei Ferkeln anwenden. Im Vorfeld muss in einem zeitlichen Abstand eine Schmerzmittelgabe erfolgen, die nach dem Aufwachen die Nachschmerzen des Eingriffs lindert. Die Bewusstseinsausschaltung durch Isofluran beginnt nach spätestens einer Minute.
Wenn Betriebe nicht auf die chirurgische Kastration verzichten wollen oder können, stellt diese Betäubungsmethode aus Tierschutzsicht eine akzeptable Alternative dar. Voraussetzung ist, dass die Betäubungsmasken dem Alter der Tiere entsprechend angepasst sind, damit die erforderliche Betäubungstiefe erreicht werden kann. Auch sollten die Tiere nicht kopfüber in die Inhalationsmaske eingebracht werden, sondern im besten Fall in Normalstellung (Beine nach unten) oder auf dem Rücken.
Isofluran ist eine potenziell toxische Substanz und war daher Gegenstand von Diskussionen darüber, ob es unter landwirtschaftlichen Bedingungen (ohne Belüftungssystem - wie es in den Operationssälen von Tierkliniken vorhanden ist) sicher genug ist oder nicht.
Injektionsvollnarkose – eine akzeptable Alternative
Bei der Injektionsnarkose wird dem Ferkel ein Gemisch von Ketamin und Azaperon injiziert. Die Applikation muss von einem Tierarzt durchgeführt werden. Die Injektionsnarkose kann intravenös (in die Vene – hier in die Ohrvene) oder intramuskulär (in den Muskel) verabreicht werden. In jedem Fall sollten die Ferkel für diese Methode mindestens 14 bis 21 Tage alt sein, damit eine eventuell länger andauernde Nachschlaf- und Aufwachphase nicht zu gesundheitlichen Problemen führt. Sind die Ferkel zu jung, kann eine zu lange Nachschlafphase dazu führen, dass sie an Gewicht verlieren, weil sie in dieser Zeit nicht an der Muttersau trinken.
Bei dieser Methode ist es jedoch nicht notwendig, die Ferkel in der ersten Woche zu kastrieren, so dass die Landwirte warten können, bis die Ferkel an Gewicht zugenommen haben und fitter sind. Um nach dem Eingriff wirksam zu sein, müssen Schmerzmittel verabreicht werden, da die Betäubung nicht schmerzlindernd ist.
Nicht akzeptable Betäubungsmethoden
- Inhalationsnarkose Mittel CO2
Die CO2-Narkose ist aus Tierschutzgründen abzulehnen. Der Grund liegt in der äusserst belastenden Einleitungsphase, denn CO2 ruft erstickungsähnliche Anfälle, Störungen der Atmung und negative Reaktionen der Tiere hervor. Hinzu kommen der unsichere Sitz der Narkosegeräte und die relativ hohe Mortalitätsrate von Tieren. - Lokalanästhesie (sogenannter «vierter Weg»)
Bei der Lokalanästhesie wird etwa zehn Minuten vor dem Eingriff ein Lokalanästhetikum in beide Hoden und in den Samenstrang injiziert. Dazu sind häufig mehrere Injektionen notwendig, die äusserst schmerzhaft und belastend für die Tiere sind. Experten gehen davon aus, dass die Tiere bei dem Nadelstich in die Hoden in ähnlichem Masse Schmerzen erleiden wie bei einer betäubungslosen Kastration. Die Wirkung der Schmerzminderung durch das Mittel wird zudem als nicht ausreichend für die Hodenentfernung bewertet. Die Bezeichnung «vierter Weg» ist entstanden, da bislang drei Alternativen (Ebermast, Immunokastration oder Betäubung unter Vollnarkose) als akzeptable Alternativen diskutiert wurden. Die Lokalanästhesie ist in den meisten Ländern, inkl. Deutschland, noch kein anerkanntes, legales Verfahren. Die Lobbyverbände der Agrarwirtschaft erhoffen sich, dass die Lokalanästhesie in Deutschland legalisiert wird, weil Landwirte hier den geringsten Aufwand hätten. Für die Tiere würde sich jedoch nichts verbessern: Die Prozedur der Kastration bliebe weiterhin äusserst schmerzhaft und stressig für die Tiere. - Ausschliessliche Anwendung von Schmerzmitteln
Eine Kastration ohne Betäubung, nur mit Schmerzmittelgabe ist aus Tierschutzsicht nicht akzeptabel, da der grösste Schmerz während des Eingriffs nicht ausgeschaltet wird.
Vier Pfoten fordert
ein generelles Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration
Keine Zulassung von nicht tierschutzgerechten Alternativen wie Lokalanästhesie.
- Zulassung und Festlegung von ausschliesslich tierschutzgerechten Alternativen wie Ebermast oder Immunokastration oder eine Kastration unter Betäubung mittels Vollnarkose.
- Schaffung von Voraussetzungen für eine ebergerechte Haltung (Genetik, Fütterung, Haltungsbedingungen).
...die Sicherung der Grundbedürfnisse
Wenn sie vernachlässigt werden, führt dies zu schlechtem Wohlergehen und damit zu Leiden, akuten Schmerzen, Ängsten und einem langfristig negativen Wohlergehen. Grundbedürfnisse von Schweinen sind:
- Schweine sind eine soziale Spezies und müssen in stabilen und angemessenen Gruppen gehalten werden - die Gruppenhaltung von Sauen und das Abferkeln in Gruppen sollte ein Standardverfahren sein. Wenn Gruppenabferkelung aus Managementgründen nicht möglich ist: zeitlich begrenzte Einzelabferkelung in Bewegungsbuchten (max. zehn Tage) mit Schutzvorrichtungen (Ferkelabweiser), um das Zerdrücken der Ferkel zu verhindern. Danach sollte eine Gruppenzusammenführung erfolgen, da diese sonst sehr gesundheitsschädlich sein kann.
- In den Tagen vor der Geburt sollte im Abferkelbereich stets langes Stroh als Nistmaterial zur Verfügung stehen.
- Schweine haben eine starke Motivation zur Futtersuche, die im Idealfall den grössten Teil ihres Tages in Anspruch nimmt. Das Wühlen ist einer der auffälligsten und wichtigsten Teile des Futtersuchverhaltens, und wenn es nicht erfüllt werden kann, führt dies zu vielen verschiedenen Gesundheitsproblemen (z. B. Stereotypien).
- Eine artgemässe Ernährung (mit hohem Faser- und Futteranteil) ist nicht nur für die Erhaltung der körperlichen Gesundheit der Tiere wichtig (sie beugt den heute häufigen Magengeschwüren vor), sondern gibt ihnen auch die Möglichkeit, ihr natürliches Wühlverhalten auszuleben.
- Ein hinreichender Liegeplatz mit trockener und weicher Einstreu ist von entscheidender Bedeutung - harte Oberflächen führen bei den Sauen zu Schulterschmerzen (weil ihr Gewicht Druck auf die Schultern und die Wirbelsäule ausübt) und bei den Ferkeln zu offenen Wunden an den Gelenken (weil sie sich zum Säugen ständig hinknien).
- Angemessener weicher Bodenbelag - die Klauen der Schweine sind an weiche und sumpfige Böden angepasst - harte Böden verursachen Fussprobleme, Lahmheiten und Schleimbeutelentzündungen.
- Der Aussenbereich sollte leicht zugänglich sein, damit die Tiere die Möglichkeit haben, die Aussenwelt zu erleben - die Tiere langweilen sich weniger und haben ihren Alltag besser im Griff, wenn sie verschiedene Umgebungen erleben können.
- Der Unterschlupf sollte Schutz vor extremen Witterungsbedingungen bieten, eine gute Luftqualität aufweisen und über leicht zugängliches Wasser und Futter verfügen.
Die Tiere sollten bei guter Gesundheit gehalten werden und bei Bedarf tierärztlich versorgt werden.
Quellenverweis